Banner: Sierscheid Ortskern von der Maternuskapelle aus gesehen

 

Historisches


Inhalt


Geschichtlicher Überblick

Die geschichtlichen Anfänge der Gemeinde Sierscheid sind unbekannt.

Erstmals  wurde der Ort 1290 urkundlich als zum kurkölnischen Amt Nürburg zugehörig erwähnt. Bis 1794 war der Kölner Kurfürst oberster Landesherr, vertreten durch den Nürburger Amtsverwalter. Das Nürburger Amt gliederte sich in einige Schultheißenämter. Sierscheid gehörte zum Schultheißenamt der vier Honschaften auf der Schuld. Die Adenauer Johanniterkommende besaß gemeinsam mit Kurköln die hohe und mittlere Gerichtsbarkeit für Sierscheid.

Wie in den übrigen Orten zog das Kölner Domkapitel auch in Sierscheid den Zehnten ein. Der Ertrag brachte am 11. Juli 1629 zwei Malter Roggen und zwei Malter, vier Simmer Hafer ein. (Wer sich für alte Maße interessiert, dem seien die hinterlegten Artikel aus Wikipedia empfohlen).

Um 1670 gehörten zu Sierscheid ca. 230 Hektar Land. Am 27. Februar 1772 verkaufte die Gemeinde unter Vorbehalt der landes- und lehnsherrlichen Rechte ihren Waldbesitz "Die Denn" an den Gerichtsschöffen Dionisius Lückenbach des kurkölnischen Dingstuhles (Gericht) Brück und an dessen Ehefrau Katharina für 1.000  Reichstaler. Für diesen Verkauf gab es folgende Gründe:

Sierscheid hatte gegen Schuld einen Prozess verloren und benötigte zur Kostenbestreitung Geld. Dieses Waldstück war wegen seiner Entfernung zum Dorf nicht ohne Kosten zu bewirtschaften. Sierscheid besaß genügend andere Waldstücke und konnte deshalb auf diese Waldung verzichten. Bei der schriftlichen Einholung der landesherrlichen Zustimmung zum Verkauf, der auch vom Nürburger Amtsverwalter befürwortet wurde, gaben die Sierscheider als weiteren Grund ihre Armut an. Fast alle Einwohner seien Tagelöhner. Deshalb könnten sie für diesen Busch keinen Förster bestellen, wodurch die Waldung ohne Kontrolle Raub und Wildereien ausgesetzt sei. Der Erlös aus dem Verkauf würde dem Dorfe zugute kommen.

Die Genehmigung des Kurfürsten erfolgte bald über seine Bonner Hofkammer.

Mit dem Einmarsch der Franzosen in die linksrheinischen Gebiete im Jahr 1794 war die Existenz Kurkölns beendet. Sierscheid gehörte nunmehr zum Kanton und zur Mairie (Bürgermeisterei) Adenau, ab der Preußenzeit zur Bürgermeisterei und zum Kreis Adenau.

Im 19. Jahrhundert herrschte vor allem in den Eifeldörfern große Not. Am 16. April 1847 bat deshalb der Sierscheider Gemeinderat die königliche Regierung in Koblenz um Lieferung von 24 Scheffel Roggen zu einem Sechstel unter dem Marktpreis. Wegen Missernten konnte die Not nicht aus eigenen Mitteln behoben werden. Die Zurückzahlung sollte bis Ende 1848 erfolgen. Außerdem sollten 200 Kubikfuß Eichenstämme im Walddistrikt Dümpelhardt gefällt werden, da für das bereits gefällte Holz nur 8 Taler eingenommen wurden. Da Sierscheid von Koblenz nur fünf Scheffel Roggen erhielt, wurden im Juli des Jahres nochmals 12 Scheffel angefordert. Das gelieferte Getreide wurde an die Bedürftigen verteilt.

Am 14. November 1848 erlaubte der Gemeinderat dem Johann Peter Leuer sowie dem Peter Josef Emons die Zahlung ihres Bürgergeldes in zwei Raten. Zur Schließung der Lücke im Etat des Jahres 1851 beschloss man die Fällung von Eichen im Wert von 20 Talern.

Da Sierscheid mit Insul zusammen eine Steuereinheit bildete und dadurch Unannehmlichkeiten entstanden waren, beantragte Sierscheid die Bildung eines eigenen Katasters.

Nach der Auflösung des Kreises Adenau im Jahr 1932 gehört Sierscheid zum Kreis Ahrweiler. Seit dem 28. Juli 1970 zählt das Dorf zur Verbandsgemeinde Adenau.

Schulwesen

Das Dorf besaß wegen seiner geringen Einwohnerzahl keine eigene Schule. Bereits im 19. Jahrhundert müssen Sierscheider Kinder die Schule in Schuld besucht haben, denn 1847 werden im Gemeindeprotokollbuch die Entrichtung von 6 Talern sowie die Lieferung von Schulholz an den Schulder Lehrer Theisen erwähnt. 1962 errichteten die Orte Sierscheid und Harscheid ein Schulgebäude zwischen beiden Dörfern. Im Zuge der Schulreform wurde diese bereits 1972 wieder geschlossen. Die schulpflichtigen Kinder besuchen heute die Schulen in Adenau, die sie mit Schulbussen erreichen können.

Kirche

Sierscheid bildete immer eine Filiale der Schulder Pfarrei und wird als solche 1570 erwähnt. Die gegen 1730 erstmalig erbaute Maternus-Kapelle ist ein einfacher einschiffiger Bau mit unregelmäßigem dreiseitigem Ostabschluss. Sie wurde 1830 renoviert und am 7. Mai 1831 benediziert. Aktuelle Fotos der Maternus-Kapelle finden sich auf AK-Wiki.de.

Weitere Renovierungen erfolgten unter anderem 1964-1965, 1981 und 2024.

Der 1714 in Ahrweiler geborene Schulder Vikar Phil. Rennenberg besaß als Weihetitel die Wochenmesse in den Kapellen von Sierscheid und Harscheid, wofür er Abgaben erhielt. Ab 1831 wurde in der Regel einmal im Monat in der Kapelle die hl. Messe gelesen. 1963 wurde das Gotteshaus innen und 1965 dann außen renoviert. Die bislang letzte Renovierung erfolgte 2004/2005 durch ehrenamtliche Helfer.

Bergbau

Zum Thema Bergbau in der Eifel, speziell recherchiert und dargestellt anhand des Grubenfelds Kupferberg bei Insul, sei die Facharbeit von Fabian Sicken (7,5 MB) aus 2012 empfohlen.

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Flutkatastrophe im Ahrtal

Am 14. / 15.07.2021 zerstörte eine Hochwasserwelle alle an der Ahr gelegenen Orte. Ebenfalls betroffen waren Erft, Urft, Kyll und sämtliche Nebenflüsse. Selbst kleine Abwassergräben, Seifen (so nennt man hier Abflussrinnen im Wald),  Waldwege und Abhänge verwandelten sich in reißende Flüsse, die Hangrutsche, Auswaschungen und Unterspülungen verursachten. Im gesamten Westen Deutschlands liefen Keller voll, Straßen wurden zerstört, viele Duzend Brücken wurden niedergerissen. An ganzen Straßenzügen wurden sämtliche Häuser dem Erdboden gleich gemacht. Tausende Existenzen wurden von einem Moment auf den anderen vernichtet. Mehr als 140 Menschen verloren ihr Leben, davon fünf Angehörige eines Mitglied unserer Dorfgemeinschaft (Sohn, Schwiegertochter und drei Enkel).

Insul 14 Tage nach der Flut von oben.
Insul 14 Tage nach der Flut

Viele weitere Panoramen von Schuld und Insul nach der Flut auf der Seite des Webmasters.

Bereits in der Nacht zeigte sich die Solidarität der Sierscheider*innen, die mit Generatoren, Pumpen und Muskelkraft einige Keller auspumpen halfen. Noch war das Ausmaß der Katastrophe unten im Tal nicht einmal ansatzweise zu erahnen, obwohl bereits da klar war, dass die Brücke in Insul zerstört war. Noch bevor am Morgen des 15.07. in großem Maße externe Hilfe ausrücken konnte, waren die Sierscheider*innen bereits dabei, die Erstversorgung der von Allem abgeschnittenen Nachbarorte sicherzustellen. Es wurde die Wiederherstellung der ebenfalls stark beschädigten Waldwege hinunter nach Liers, das größtenteils völlig von der Außenwelt abgeschnitten war, in Angriff genommen. Ebenfalls waren Teile von Schuld und Insul nur über Sierscheid und teilweise nur über Waldwege erreichbar. Mit Quads, Traktoren und teilweise zu Fuß wurden Wasser und Lebensmittel nach unten gebracht. Ein Gräder wurde organisiert, um die Wege auch mit normalen PKW befahrbar zu machen.
Fast jeder aus dem Dorf half, die ersten Schäden zu beseitigen. Alle Traktoren, Hänger, Quads, Pumpen und Generatoren, die zur Verfügung standen, waren wochenlang im Einsatz. Externe Hilfskräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Bundeswehr nutzten die vorhandene Ortskenntnis von uns Einheimischen, um Zuwege zu schaffen, Infrastruktur wiederherzustellen und Schäden zu lokalisieren. Telekomunikationseinheiten von Polizei und Bundeswehr nutzten die strategische Lage auf der Dümpelhardt, um die Verbindung und Koordination unten im Tal sicherzustellen, die durch den Stromausfall und die Zerstörung von Kabelverbindungen mehr als schwierig war. Natürlich waren auch wir hier oben von tagelangem Stromausfall und der Unterbrechung von Telefon und Internet stark beeinträchtigt, was angesichts der Lage direkt an der Ahr aber kaum ins Gewicht fiel. Schwierig war es anfangs jedoch, überhaupt vom Berg herunterzukommen. Richtung Adenau war der einzige mögliche Weg über Schuld, Winnerath und Reifferscheid, der jedoch immer wieder durch die Aufräumarbeiten in Schuld unterbrochen war. Eine Versorgung mit Treibstoff für die Stromerzeuger war nur Richtung Wasserscheide in Esch möglich, wenn es auch in dieser Richtung ganz erhebliche Schäden gegeben hat. Mit der Schließung des Weggebrochenen Straßenstücks in der Verbindungsstraße zwischen Schuld und Insul wurde es etwas besser. Doch erst mit der Errichtung einer Behelfsbrücke in Insul durch die Bundeswehr normalisierte sich die Lage ein wenig, zumal nach ca. 4 Tagen der Strom und noch einige Tage später auch Telefon und Internet wieder verfügbar waren.

Zwischenzeitlich waren sechs Familien aus dem Tal in Sierscheid untergekommen, viele davon leben immer noch hier. Und das sind nur die wenigen, die hier eine Notunterkunft gefunden haben. Viele Familien mehr mussten aus ihrem Zuhause fliehen und sind dankbar, dass sie jemand aufgenommen hat.

Im Sierscheider Gemeindehaus entstand spontan eine Sammelstelle für gespendete Versorgungsgüter, bei der sich Betroffene und Hilfskräfte mit dem Nötigsten ausstatten konnten.

Hilfsgüter für die Flutopfer im Sierscheider Gemeindehaus
Hilfsgüter für die Flutopfer im Sierscheider Gemeindehaus

Trotz der umfangreichen Medienberichte, die sich anfangs auf Schuld konzentrierten, wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe erst nach und nach klar. Kein Ort entlang der Ahr, der nicht zu großen Teilen zerstört ist. Von Müsch angefangen bis nach Sinzig zog die Ahr eine Schneise der Verwüstung. Der Großteil der Brücken, Straßen, Wasserleitungen, Stromtrassen, Telekommunikationseinrichtungen, viele Häuser, Kirchen und sämtliche Kläranlagen wurden vernichtet oder unrettbar beschädigt. Der Damm der Steinbachtalsperre bei Euskirchen-Kirchheim wurde überspült und drohte tagelang zu brechen. Großflächige Evakuierungen der Dörfer unterhalb bis hin nach Rheinbach waren die Folge. Die Innenstädte von Bad Münstereifel und Euskirchen an der Erft wurden ebenso zerstört wie Bad Neuenahr und Ahrweiler. In Erftstadt-Blessem wurden ganze Landstriche einfach weggespült und damit ganze Häuserzeilen. Doch diese Hervorhebungen einzelner Ortschaften wird dem Ausmaß der Verwüstung nicht einmal ansatzweise gerecht.

Auch wenn inzwischen bereits viele Schäden an der Infrastruktur - zum Teil notdürftig - beseitigt werden konnten und vieles von den ungeheuren Bergen an Schutt, Abfall und Sperrgut abtransportiert wurden, bleiben die Schäden unfassbar umfangreich. Manche Schäden treten jetzt erst zu Tage, erste Häuser, die nicht mehr zu retten sind, werden abgerissen. Ganze Schneisen, die die Flut gerissen hat, kann man jetzt erst wirklich erkennen. Viele Hänge rutschen noch immer langsam abwärts.

Viele Existenzen wurden vernichtet, unfassbares Leid wird im kollektiven Gedächtnis für lange Zeit haften bleiben. Stand 08.08.2021 verloren alleine im Ahrtal 141 Menschen ihr Leben, 17 werden noch immer vermisst. Hinzu kommen 47 weitere Tote in NRW, wo die Erft, Urft, Kyll und viele weitere Gewässer ebenso große Verwüstungen angerichtet haben. Die Flut hat Lücken gerissen, die sich niemals wieder schließen lassen.

Dabei war dies nicht das erste und vielleicht noch nicht einmal das allerschlimmste Hochwasser an der Ahr. In Wikipedia findet sich eine Auflistung der historischen Hochwässer an der Ahr.

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Fotoalbum des Altbürgermeisters Paul Sicken über Sierscheid

Paul Sicken war von 1964 - 1999 35 Jahre lang Ortsbürgermeister in Sierscheid. Von 1960 - 1964 war er Erster Beigeordneter und gehörte somit über 39 Jahre lang dem Ortsgemeinderat Sierscheid an.
Im Oktober 2021 wurde es digitalisiert, nachdem es bei der Bundestagswahl am 26.09.2021 auf dem Speicher des Gemeindehauses wiederentdeckt wurde. Das Album enthält auch Fotos des Gemeindehauses, als es vor dem Umbau noch als Feuerwehrgerätehaus genutzt wurde.


Historische Protokollbücher des Ortsgemeinderats ab 1848

Bis 2023 wurden die alten Protokollbücher bei den jeweiligen Ortsbürgermeistern verwahrt. Dass sie dabei teilweise wenig sachgemäß gelagert und dadurch Schaden genommen haben, wird kaum verwundern.
Inzwischen wurden sie dem Archiv der Verbandsgemeinde Adenau zur sicheren Verwahrung übergeben und damit auch der wissenschaftlichen Auswertung und Aufarbeitung zugänglich gemacht.


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